Grosser, Frederik: Darstellungen von Wagenlenkern in der römischen Kaiserzeit und frühen Spätantike, 21,0 x 29,7 cm, 379 S., 43 s/w Abb., 83 farb. Abb., 45 Tafeln, Gebunden, ISBN: 9783954905218, 98,00 €
(Reichert Verlag, Wiesbaden 2021)
 
Reseña de Erwin Pochmarski
 
Número de palabras : 3251 palabras
Publicado en línea el 2023-04-26
Citación: Reseñas HISTARA. Enlace: http://histara.sorbonne.fr/cr.php?cr=4207
Enlace para pedir este libro
 
 

       Bei der vorliegenden Publikation handelt es sich um die vom Autor 2017 an der Universität Freiburg bei R. von den Hoff eingereichte Dissertation, die vom Autor für den Druck entsprechend bearbeitet wurde. F. Ch. Grosser (G.) geht es um eine Analyse der Darstellungen von Wagenlenkern, aber auch der Wagenrennen bzw. um die Frage nach der visuellen Signifikanz der Wagenlenker. Die Grundlage für dieses Unternehmen stellt ein möglichst umfassendes Materialcorpus dar, eine Anforderung, der G. mit sehr gutem Erfolg nachgekommen ist. In seiner Untersuchung steht dabei nicht der Katalog der Bildwerke (179-321) im Mittelpunkt, sondern vor allem die Rekonstruktion größerer medialer Zusammenhänge. In der ikonographischen Analyse geht es natürlich auch um eine Differenzierung zwischen den Wagenlenkerdarstellungen und den Renndarstellungen. Von Bedeutung ist dabei, dass die Bilder eine durchwegs positive Sicht auf die Fahrer vermitteln, während die literarische Überlieferung ein negatives Bild wiedergibt. Grund dafür ist wohl, dass die Wagenlenker eine homogene soziale Gruppe bilden, die beinahe ausschließlich aus Sklaven und Freigelassenen besteht. Wagenlenkerdarstellungen sind vor allem im Westen des Römischen Reiches belegt, in erster Linie in Rom, Italien und in den Nordwestprovinzen. Vor allem aus dem späteren 4. Jh. n. Chr. hat sich eine große Anzahl von Darstellungen erhalten.

   

       Im Zuge seiner mediendifferenzierten Untersuchung befasst sich G. zunächst mit den Bildern im Haus, zu denen er die Campana-Platten, die Mosaiken und die Wandmalerei (im Haus) zählt, wobei die Mosaiken die größte Bedeutung haben. Die Campana-Platten (27-29) mit Wagenlenkerszenen finden sich sowohl im Innen-, wie auch im Außenbereich von Häusern, wobei auch Darstellungen mit dem Sturz des Wagenlenkers (naufragium) als Konsequenz unachtsamen Fahrens im Bereich der metae vorkommen. Generell werden prägnante Momente der Wagenrennen herausgegriffen und keine größeren szenischen Bilder mit mehreren Gespannen wiedergegeben.

   

       Zu dem wichtigsten Medium dieser Gruppe, den Mosaiken (29-46), sagt G. zu Recht, dass sie in Häusern und Villen Ausdruck von privatem Luxus und Wohlstand der Besitzer seien. Mosaiken mit Wagenlenkern und Wagenrennen tauchen erstmalig im 2. Jh. n. Chr. auf, lassen sich aber bis in das 6. Jh. n. Chr. verfolgen. Es lassen sich Einzel- und Gruppendarstellungen unterscheiden, wobei einerseits der siegreiche Fahrer den Schwerpunkt bildet, während es sich andererseits um die Inszenierung von Rennen handelt. Ein wesentliches Kompositionsschema, das vor allem im 3. und 4. Jh. n. Chr. häufig zur Anwendung kommt, stellt den zentral und frontal gezeigten Fahrer auf seinem Wagen dar. Im Vergleich zu den Frontaldarstellungen sind im Profil gezeigte Sieger deutlich seltener. Im Zusammenhang mit den Renndarstellungen findet sich auf S. 37 der auch sonst wiederholt vorkommende Ausdruck, dass ein Rennen abgebildet werde, was sprachlich wohl im Sinne von dargestellt oder wiedergegeben werde zu verbessern wäre. Im Zusammenhang mit dem Mosaik M29 aus Philippi postuliert der Autor den Einsatz von Musterbüchern, wobei hier auf Arbeiten von M. Donderer zu verweisen ist[1]. Zur Anbringung der Mosaiken meint G. zu dem Mosaik M22, dass Prestige, munificentia und die vorbildliche Amtsführung des Villenbesitzers gemeint seien. Allgemein sei festzustellen, dass sich Mosaiken mit Circusthematik primär in Räumlichkeiten mit repräsentativ-öffentlicher Funktion fänden. Zusammenfassend lässt sich nach G. sagen (44-46), dass die Mosaiken von Angehörigen der Eliten (besser als Elite) in Auftrag gegeben würden, und zwar vermehrt in der späten Kaiserzeit und frühen Spätantike.

   

       Von Darstellungen in der Wandmalerei (im häuslichen Bereich) (46-50) sind eher nur einige wenige überliefert, wobei die frühesten Beispiele noch aus dem späten 1. Jh. n. Chr. stammen. Wie bei den Mosaiken handelt es sich um eine Auftragsarbeit nach präzisen Wünschen des Auftraggebers, wobei das Bildthema auch hier oft wieder eine Chiffre für vorbildliche Amtsführung bedeutet.

   

       Zusammenfassend (50) hält G. fest, dass die Dekoration des häuslichen Umfelds mit Darstellungen aus dem Circuswesen mit den Campana-Platten und der Wandmalerei bereits in der frühen Kaiserzeit einsetzte. Rennszenen auf Mosaiken mit Darstellung eines Magistrats stellten einen Verweis auf dessen Amtstätigkeit dar, wobei solche Bildthemen in den Häusern der Eliten ab dem 3. und 4. Jh. n. Chr. zunahmen.

   

       Auf die Bilder im Haus folgen in der Publikation die Bilder im (oder am) Grab, zu denen G. die Aschenurnen, die Grabaltäre, die Grabreliefs, die Sarkophagreliefs, als die zahlenmäßig größte Gruppe in Gestalt auch der Erotensarkophage und die Wandmalerei im Grabkontext zählt. Obwohl aus dem italischen Raum eine Vielzahl von Aschenurnen (51-52) bekannt sind, gibt es nur vereinzelt solche mit der Darstellung von Wagenlenkern. Bei der Interpretation der Aschenurne Au3 (S. 52) spricht G. angesichts der Dynamik des Geschehens von Pferden mit zurückgeworfenen Köpfen und bewegten Fahrern, was der Rez. nicht erkennen kann. Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass in den wenigen Darstellungen auf Aschenurnen der Wagenlenker den Erfolgs- und Siegesgedanken hervorruft.

   

       Ähnliches wie für die Aschenurnen gilt auch für die Grabaltäre (53-56), von denen sich in Rom ein umfangreicher Bestand erhalten hat, wobei aber nur vier Grabaltäre mit Sicherheit das Bild von circensischen Fahren tragen. Diese Darstellungen enthalten den Hinweis auf den Beruf oder die Erfolge des Verstorbenen.

   

       Die Grabreliefs (56-62) dienen als Verzierung aufwändiger Grabdenkmäler, sind also als Grabbaureliefs anzusprechen. Nur wenige dieser Grabbaureliefs zeigen berufsspezifische Darstellungen, die im Auftrag eines Wagenlenkers oder seiner Angehörigen geschaffen worden sind. Die Darstellungen von Magistraten bei der Wiedergabe von Wagenrennen meinen spielgebende Magistrate und dienen der Visualisierung von deren munificentia bzw. vorbildlicher Amtsführung.

   

       Auf den Sarkophagreliefs (62-71) ist insbesondere auf stadtrömischen Sarkophagen das Wagenrennen ein beliebtes Thema, wobei allerdings nur auf fünfzehn Sarkophagreliefs menschliche Fahrer auftreten, sonst aber Eroten bei circensischen Wagenrennen dargestellt sind, von denen K. Schauenburg[2] 102 Exemplare zusammengestellt hat. Die Größenmaße der Sarkophage mit menschlichen Wagenlenkern verraten, dass es sich auch bei diesen meist um Kinderbestattungen wie bei den Erotensarkophagen handelt. Die Circussarkophage mit der Wiedergabe von Sieg und Niederlage durch den Sturz dienen der Vermittlung von virtus und pietas des Grabinhabers.

   

       Zur Wandmalerei im Grabkontext (71-76) hält G. fest, dass sich ab der frühen Kaiserzeit in den Grabanlagen von Sklaven und vor allem Freigelassenen neben Stuckreliefs auch Wandmalereien finden, wobei allerdings Wagenlenkerdarstellungen selten sind. Von besonderem Interesse ist dabei Wa10 (S. 72) aus einem frühchristlichen Arkosolgrab, in dessen Mitte sich das Bildnis der Verstorbenen in einem Clipeus findet, beiderseits flankiert von einer frontal wiedergegebenen Quadriga. R. Thomas[3] wollte in der Darstellung von Fahrern, Greifen und Victorien in dem Bild Sinnbilder der Auferstehung sehen, was G. ablehnt. Darüber hinaus wollte sie in den Wandmalereien mit Wagenrennen Metaphern für den Lauf des Lebens sehen.

   

       Zusammenfassend (75-76) stellt G. zu den Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen im Grabkontext fest, dass sich diese Darstellungen seit der frühen Kaiserzeit finden, wobei Unfall und Sieg ein konträres Aussagenpaar darstellten.

   

       In der Folge befasst sich der Autor mit den Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen auf Geschirr, und zwar auf Circusbechern, Luxusglas, Terra Sigillata und einem Einzelstück aus der Toreutik, dem Silberbecher aus Grünau. Bei den Circusbechern (76-79) handelt es sich um in Form geblasene Glasbecher vor allem aus dem 1. Jh. n. Chr., die Szenen von Wagenrennen und Gladiatorenkämpfen zeigen, wobei die Rennszenen mit 130 Becher(fragmenten) überwiegen. Die Nutzung der Circusbecher ist vielfältig: sie konnten als Trinkgefäße, als Votive und als Grabbeigaben verwendet werden. Sie sind vor allem im Westen des Römischen Reiches verbreitet und stellen eine aufgewertete Form des Geschirrs dar.

   

       Außer auf den Circusbechern finden sich die Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen auch auf Luxusglas (79-83) aus dem 3. und 4. Jh. n. Chr., wobei es nach Angabe von G. (S. 80) noch keine Übersicht über die Ikonographie figürlich verzierter Gefäße gibt. Auch diese Gefäße werden als Beigaben im Grab verwendet, aber auch beim Mahl und stellen einen Beweis für die spätantike Dominanz von Wagenrennen in der Öffentlichkeit dar.

   

       In der Terra Sigillata (83-87) mit ihrem variantenreichen figürlichen Dekor sind Wagenlenkerdarstellungen sowohl in der kaiserzeitlichen, als auch in der spätantiken nordafrikanischen Terra Sigillata selten; häufiger werden aber in der kaiserzeitlichen Terra Sigillata Gladiatoren und Athleten dargestellt. Auffällig ist, dass in der Spätantike keine Rennszenen mehr wiedergegeben werden, sondern die Einzeldarstellungen siegreicher Fahrer.

   

       Eine gesonderte Behandlung gewährt G. dem Silberscyphus aus Grünau (87-88), der ikonographisch und materiell eine Besonderheit bilde. Der vergoldete Silberbecher sei in hervorragender Treibarbeit hergestellt und zeige die Abfolge von Renn- und Unfallszene.

   

       Zusammenfassend hält G. (88) zu den Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen auf Geschirr fest, dass es sich z. T. um den Besitz wohlhabender Personen handle (z. B. Gold- und Schliffglas oder der Silberscyphus). Die Terra Sigillata zeige die übliche ikonographische Veränderung in der Spätantike, indem an die Stelle fahrender Gespanne mit dem Sieger im Profil das Frontalschema tritt.

   

       Als nächste Gattung werden vom Autor die Wagenlenkerdarstellungen auf Geräten behandelt (88-95), wobei es sich besonders um applikenverzierte Gefäße handelt, die am Ende des 2. Jhs. n. Chr. im Rhônegebiet, in den Pyrenäen und in der Germania superior aufkommen. Dabei treten Darstellungen von Wagenlenkern und von Gladiatoren häufig auf, wobei das Motivspektrum bei den Wagenlenkerdarstellungen insofern einheitlich ist, als fast nur siegreiche Wagenlenker auftreten. Gleichfalls zum Gerät gehören Messergriffe mit Darstellungen von Wagenlenkern (94-95).

   

       Als eigene Gattung unter dem Titel „Bilder kaiserlicher munificentia“ werden von G. die Matrizen und Patrizen der forme ostiensi und die Münzen behandelt (95-100), wobei die Formen aus Ostia wohl zu den Geräten gehören. Von den aus Ostia stammenden Formen ist nur ein geringer Teil publiziert, der in das späte 2. und das frühe 3. Jh. n. Chr. gehört, wobei Formen für Darstellungen aus dem Circuswesen selten sind. G. meint, dass die Darstellungen von venationes bzw. Wagenrennen und Wagenlenkern mit der severischen Säkularspielprägung zu verbinden seien. Siegerdarstellungen zeigen eine starke Variation, wobei Darstellungen mit frontal zum Betrachter gewandten Quadrigen zu den frühesten Darstellungen siegreicher circensischer Fahrer gehören. Das zentrale Thema der Hohlformen bzw. Matrizen ist jedenfalls der Sieg. Die Brotformen zeigen nach G. die munificentia des Kaisers auf zwei Ebenen, nämlich durch die Referenz auf Spiele und Rennen und durch Speisung des Volkes.

   

       Die Münzen (100-103) zeigen auf den Reversen der kaiserzeitlichen Münzprägung ein reiches Motivspektrum, wobei auf die Vorbildhaftigkeit des princeps verwiesen wird. Münzbilder trajanischer Zeit dokumentieren den Circus Maximus, Verweise auf Wagenrennen gibt es während der Säkularspiele severischer Zeit, Belege für Umbauarbeiten und Wagenrennen in der Zeit Caracallas. Gerade auf den Münzen Trajans und Caracallas wird durch die Reparatur- und Umbauarbeiten am Circus die munificentia der Kaiser vermittelt.

   

       Das nächstfolgende Kapitel befasst sich mit dem Schmuck (103 – 113), soll heißen in erster Linie den Gemmen, daneben aber auch mit den Fingerringen und den Fibeln. Die Fingerringe mit als Schauflächen gearbeiteten Ringplatten und die Gemmen bzw. Kameen als Ringsteine sind ihrer Funktion nach identisch. In den Katalog (200-223) sind von G. 131 Gemmen, aber nur drei Fingerringe aufgenommen. Die Wagenlenkerdarstellungen auf Gemmen möchte er als Loyalitätsbekundungen zu den Fahrern und den factiones verstanden wissen. Die Zahl der Gemmen nimmt im 3. Jh. n. Chr. ab, so dass aus dem 4. Jh. n. Chr. nur mehr eine Gemme (G83) mit Wagenrennen erhalten ist. Die Wagenlenker werden als circensisch angesehen, sofern sie nicht durch Attribute als mythologische Figuren erwiesen sind. Die ikonographische Bandbreite reicht von Darstellungen einzelnen siegreicher Fahrer über ein Gespann in Fahrt bis zu Rennen mit mehreren Gespannen, wobei Quadrigen überwiegen. Bei den Renndarstellungen unterscheidet G. drei Schemata, abhängig von der Anordnung bzw. dem Fehlen der Barriere. Die umfangreiche Produktion von Ringsteinen mit Wagenlenkerbildern bezeugt eine positive Wahrnehmung der Fahrer.

   

       Im nächsten Kapitel behandelt der Autor die Tonlampen mit Darstellungen von Circusszenen (113 – 118). Auf den Tonlampen nehmen Szenen von spectacula einen breiten Raum ein, wobei es sich besonders um Szenen mit Wagenlenkern und mit Gladiatoren handelt, wobei der fahrende Wagenlenker das häufigste Motiv der Circusszenen auf Bildlampen bildet (Tl1 – Tl49). Generell besteht auf den Tonlampen ein größeres Interesse an Einzel- als an Gruppendarstellungen.

   

       Einen besonders interessanten Aspekt stellt der Abschnitt über die Porträtplastik dar (118-124), da Porträts und Ehrenstatuen für Wagenlenker vielfach einen Teil der Ausstattung öffentlicher und privater Räume darstellen. Wagenlenkerstatuen bilden ab dem 2. Jh. n. Chr. einen Teil des Stadtbildes, wobei die Aufstellung der Statuen seit dem späten 3. Jh. n. Chr. auf Circusanlagen beschränkt, aber laut dem Codex Theodosianus noch in den Eingängen von Circi erlaubt ist.

   

       Ein eigenes Kapitel in der Arbeit bilden die kleinplastischen Darstellungen von Wagenlenkern (124 – 130) in Bronze, Terrakotta, Stein und Elfenbein. Die Bronzestatuetten (124 – 125)  konnten in Heiligtümer geweiht oder als Grabbeigaben verwendet werden. Eine besondere Gruppierung stellen die Aequipondia dar (125 – 126), figürlich ausgearbeitete bronzene Waaggewichte für römische Schnellwaagen, die hauptsächlich aus Italien und den Nordwestprovinzen stammen. Bei den als Athleten definierten Gewichten handelt es sich um Darstellungen von Boxern, Schwerathleten, aber auch Wagenlenkern. Die Statuetten von Wagenlenkern aus Terrakotta (126 – 128) konnten auch als Geschenk, Spielzeug, Votivgabe und Grabbeigabe genutzt werden. Primär im Haus verwendet wurden Elfenbeinstatuetten. Zusammenfassend hält G. fest, dass ein Problem der Statuetten deren fehlende Fundumstände darstellen (129).

   

       Im Abschnitt zu Wagenlenkern und Wagenrennen auf Kontorniaten (130-137) befasst sich G. mit einer interessanten Frage. Die Produktion von Kontorniaten reicht von der Mitte des 4. Jhs. n. Chr. bis in das 5. Jh. n. Chr., wobei ihre genaue Funktion in der Wissenschaft diskutiert wird. Am ehesten möglich scheint die von A. und E. Alföldi[4] vorgeschlagene Verwendung als Neujahrsgeschenke. Am größten ist die Funddichte in und um Rom, wo die zentrale Produktion beheimatet war, wobei die Urheberschaft der Kontorniaten in den Händen des Kaisers, des Senats, der Ritter, aber auch wohlhabender Personen der plebs lag. Aus dem Fundmaterial ergeben sich 268 Rückseiten- und 160 Vorderseitenstempel, wobei sich auf den Rückseiten Rennszenen und Wagenlenkerdarstellungen, aber auch andere Szenen finden, auf den Vorderseiten Wagenlenkerdarstellungen, venatio-Szenen und Theatermasken. Auf den Rückseiten nimmt die Darstellung eines fahrenden Siegers breiten Raum ein, wobei die etablierte Darstellungskonvention bis in das 3. Jh. n. Chr. die Darstellung des fahrenden Siegers im Profil bildet, die in der Folgezeit von der Frontaldarstellung des Siegers in einem stehenden Gespann abgelöst wird. Insgesamt lässt sich sagen, dass die Wagenlenker- und Wagenrenndarstellungen auf den Kontorniaten aus einer Zeit der verstärkten Popularität der Rennen stammen, wobei die Lenker Symbole für Glück und Sieg bilden.

   

       Eine eher nur am Rande interessante Gruppe stellen die Spielsteine mit figürlichem Dekor dar (137 – 140). Aufgrund des Formats handelt es sich um Einzeldarstellungen von Wagenlenkern, wobei der siegreiche Fahrer symbolisch auf das Spiel und seinen positiven Ausgang bezogen wird. Die verwendeten Motive lassen sich am ehesten mit jenen in der Glyptik und der Münzprägung vergleichen.

   

       Ebenfalls eher von geringerem Interesse sind die Graffiti (141 – 143) mit der Darstellung circensischer Wagenlenker, von denen es aus der ganzen Kaiserzeit nur wenige, nämlich zehn Exemplare gibt.

   

       In seinen zusammenfassenden Bemerkungen (143 – 145) gibt G. einen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse seiner ikonographischen Analysen. Vom Beginn des Aufkommens von Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen in der späten Republik und in der frühen Kaiserzeit stehen die Einzeldarstellungen fahrender und siegreicher Lenker im Vordergrund. Rennszenen in größerer Stückzahl finden sich erstmals auf den Circusbechern ab dem späten 1. Jh. n. Chr. Ab dem späten 2. und dem frühen 3. Jh. n. Chr. geben die Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen die kaiserliche munificentia wieder. Im 4. Jh. n. Chr. finden sich diese Darstellungen vermehrt auf kostspieligen Bildträgern wie den Mosaiken.

   

       In den beiden folgenden Kapiteln geht es dem Autor um allgemeine Fragen. Das eine Kapitel mit dem Titel „Der siegreiche Wagenlenker im Bild: Eigenschaften und Werte“ (147 – 152) behandelt zunächst Wagenlenker, Kaiser und Victoria Romana als Sieger in der römischen Kunst (147 – 149), wobei G. hervorhebt, dass im Laufe der Kaiserzeit und der Spätantike die Wagenlenker mit Sieg und Erfolg assoziiert werden. Siegreiche Wagenlenker verfügen über vorbildliche Eigenschaften wie virtus und werden im 4. Jh. n. Chr. ikonographisch dem triumphierenden Kaiser angeglichen. In dem folgenden Teilabschnitt geht G. der Frage nach, inwieweit Wagenlenker Träger der felicitas gewesen seien (149 – 152). Ausgangspunkt ist dabei, dass dem Kaiser durch seine Erfolge aufgrund des Beistands der Victoria und der Götter die Eigenschaft der felicitas verliehen werde. Damit hängt zusammen, dass ab der Mitte des 3. Jhs. n. Chr. der Wagenlenker sich visuell dem Kaiser annähert, was auch in der Nutzung des Frontalschemas ab dieser Zeit zum Ausdruck komme, womit der siegreiche Wagenlenker an die imperiale Siegesikonographie angeglichen werde. Mit der Darstellung siegreicher Fahrer können die Auftraggeber an deren Glück und Erfolg partizipieren.

   

       Das zweite Kapitel, das sich mit allgemeinen Fragen beschäftigt, hat die naufragia zum Gegenstand (153 – 154), wobei es um die Frage geht, ob es sich um ein generisches Moment oder eine Trauerformel handelt. Tatsächlich sind die Darstellungen von Wagenrennen häufig mit der Wiedergabe verunglückender Gespanne verbunden, wobei als visueller Topos das gestürzte Gespann mit den metae verbunden wird. G. kommt zu dem Schluss (S. 154), dass die Bilder mit dem naufragium in der Grabkunst weniger die Verstorbenen als Sieger oder Verlierer thematisieren, sondern vielmehr den Lauf des Schicksals.

   

       Zum Abschluss fasst G. die Ergebnisse seiner Untersuchung in einem Schlusskapitel „Ergebnisse und Schlussbetrachtung“ (155-158) zusammen. Er hält fest, dass die Zusammenstellung des umfangreichen Materialcorpus die Aufgabe habe, die Darstellungen von Wagenlenkern und Wagenrennen in ihrer spezifischen Ikonographie zu erfassen, womit er über die im Titel der Arbeit ausgedrückte Beschränkung auf die Darstellungen von Wagenlenkern hinausgeht. Mit der Säkularisierung und Professionalisierung der Wagenrennen am Umbruch von der späten Republik zur frühen Kaiserzeit erhielten Rennen und Wagenlenker eine volle visuelle Rezeption. Bei den Auftraggebern, Käufern und Rezipienten der Darstellungen handle es sich um Anhänger der Rennen, der factiones und der Fahrer. Renndarstellungen im sepulkralen Bereich würden die Leistungen des Verstorbenen betonen, z. B. auch durch den Hinweis auf magistratische Amtstätigkeit. Die von den Wagenlenkern oder ihren Angehörigen beauftragten Darstellungen im Grabkontext – auf Grabaltären, Grabreliefs und Sarkophagreliefs – beinhalten den Erfolg als spezifische Lebensleistung. In der Spätantike erhalten die Wagenrennen immer stärkeren Zulauf, was einen Prestigezuwachs für die Stifter, vor allem für den Kaiser bedeutet. Aus den Bildern ergeben sich positiv besetzte Eigenschaften: das agonale Bemühen, die Sieghaftigkeit und die Begünstigung durch Victoria und die Götter.

   

       Auf S. 159 folgt ein wertvolles Glossar zu den lateinischen Termini, von 161-178 eine sehr eingehende Bibliographie, in der aber dennoch einzelne in den Anmerkungen verwendete Abkürzungen fehlen, d.h. nicht aufgelöst sind, z. B. Alföldy 1983; Coppola 1995; Desbat-Leblanc 2001; Dunbabin 1997; Goethert 1984; Hölscher 1987; Jobst 1997; Junkelmann 1990; Reinsberg 1998; Thuillier 1990; Walters 1903 und Weiler 2011.

   

       Es folgen der umfassende Katalog (181 – 321), der alphabetisch nach den Kunstgattungen gegliedert ist, mehrere Register (322 - 327) mit einem allgemeinen Index (322 – 323), einem Index der antiken Eigennamen (323) und einem der antiken Autoren (324) und schließlich ein Museumsindex (325 – 327), sowie das Abbildungsverzeichnis (328 – 330). Den Abschluss bilden 43 Schwarz-Weiß-Abbildungen und 83 Farbabbildungen auf 45 Tafeln von durchwegs sehr guter Qualität. Der Leser und Benutzer dieses ausgezeichneten Werkes ist dem Autor und dem Verlag für deren sorgfältige Arbeit zutiefst verpflichtet.

 


[1]   M. Donderer, Antike Musterbücher und (k)ein Ende. Ein neuer Papyrus und die Aussage der Mosaiken. - Musiva 2-3 (2005-06) 81-113; Und es gab sie doch. Ein neuer Papyrus und das Zeugnis der Mosaiken belegen die Verwendung antiker Musterbücher. - AW 36 (2005) Nr.2,59-68.

[2]   K. Schauenburg, Die stadtrömischen Eroten-Sarkophage. Zirkusrennen und verwandte Darstellungen, ASR V 2.3 (Berlin 1995

[3]   R. Tomas, Zu einer Wagenlenkerstatuette im Römisch-Germanischen Museum Köln, KölnJb 34, 2011, 514-516

[4]   A. Alföldi – E. Alföldi, Die Kontorniat-Medaillons, Teil 2 Text AMuGS 6,2 (Berlin 1990), 14.